Blättere ich in meinen seit 2021 entstandenen Blog-Texten stoppe ich ab und zu. Erst heute habe ich bei einer zufälligen Begegnung von den „Schwarzen Gedanken“ erzählt. An die erinnere ich mich immer wieder, bekam ich doch vor Augen geführt, mit welchen Vorurteilen ich wie wohl fast jeder Mensch unterwegs bin. Ändern kann sich das nur, wenn es gelingt, immer wieder hinter der Milchglas-Scheibe der eigenen Welt-Konstruktion nach der Wirklichkeit zu fahnden.
Schwarze Gedanken
Sommerabend im Vorort auf der Terrasse der Pizzeria. Am Tisch auch unser kenianischer „Patensohn“, ein 19jähriger Kenianer, der vor fünf Jahren nach Deutschland ausreisen durfte. Auch durch die Unterstützung meines Mannes spricht er inzwischen fast perfekt deutsch. Neben und unter dem Tisch „Funny“, der schwarze Mischlingshund mit einem Weimaraner als Vater und der Golden-Retriever-Mutter.
Am Nachbartisch ein „mittelaltes“ Ehepaar, der Mann mustert uns unentwegt. Innerlich bereite ich mich auf einen Wortwechsel vor, in dem es um Rassismus geht und einen ganzen Schwall von Erwiderungen gegen Fremdenfeindlichkeit. Immer mehr vorauseilende Wut macht sich breit. Im wahrsten Sinne des Wortes schlagkräftige Formulierungen suche ich. Nach dem Salat gehe ich ins Restaurant und komme auf dem Rückweg am Tisch der beiden vorbei. Nun dreht sich der Mann auf seinem Stuhl auch noch zu mir und fixiert mich mit seinem Blick: „Was haben Sie für einen hübschen Hund. Ist das ein Mischling? Wir hatten auch einen, der fast genauso aussah. Leider ist er tot.“ CB

Der unfassbare Schrecken in einem Satz
1982 konnte ich getarnt als Studentin während des Kriegsrechts nach Polen einreisen. Als Journalistin sollte ich über eine offizielle deutsch-polnische Begegnung in Auschwitz berichten. Der folgende, leicht gekürzte Text entstand als wir am Nachmittag zu zweit oder dritt mit KZ-Überlebenden über das Gelände des Stammlagers und des Vernichtungslagers Birkenau gegangen waren.
„Bekannter Schrecken. Die Frau neben mir hat überlebt, spricht zum ersten Mal seit der Befreiung wieder deutsch, will Sprachrohr für die Toten sein. Kein Vorwurf in der Stimme. Sie teilt Wohnung und Essen mit uns; erinnert sich an die eine freundliche Aufseherin, die ihr ein Stück Brot zusteckte. Als wir aus einer der Baracken auf dem riesigen Gelände des Vernichtungslagers Birkenau kommen, atmet sie tief durch und sagt: „Hier war nur Dreck, kein Gras. Hier haben die Vögel nicht gesungen.“
Warum nur blitzt dieses Bild auch heute noch auf – wenn ich Fernsehnachrichten über Flüchtlingslager sehe? Wenn jemand im Kleider-Container an der Ecke wühlt oder vor dem Tisch der „Tafel“ ansteht? CB