Ein Film und ein Buch…

…sind diesmal Thema. Erfundene Geschichten in Wochen, in denen die Schrecken der Welt die Nachrichten dominieren. Und eingestreute Wörter wie „offenbar“, „gewiss“ und „tatsächlich“ die Zweifel übertünchen sollen an der Sorgfalt, der Tiefe und der Zeit für umfassende Recherchen.

Dagegen setzte ich diesmal einen Ausflug in die Welt des früheren Hollywoods und die Bergwelt.

Der Film „The Ordinaries“

Allen, die bei Produktionen aus Deutschland erst mal die Nase rümpfen – zu viel Gerede, zu wenig überraschende Szenen, Längen – werden überrascht sein. Die Abschlussarbeit an der Filmhochschule Babelsberg von Regisseurin Sophie Linnenbaum, sprengt nicht nur mit dem englischen Titel solche oft eng gesetzten Grenzen.  Alles spielt sich ab im Milieu der Hollywood-Produktionen ohne eindeutig festgelegt zu sein auf eine der Epochen der 1930er- bis 1950er-Jahre. (Filmfans werden eine Menge Anspielungen entdecken.)

Diese Welt ist streng unterteilt in die wenigen Haupt- und die vielen Nebenfiguren, die jeden Tag ihre kasernenartigen Hochhauswohnungen verlassen. Busse kutschieren sie auf das Studio-Gelände, wo sie den Lautsprecher-Durchsagen gehorchen. Die junge Paula, deren Mutter auch zu diesen Figuren im Hintergrund gehört, will Hauptfigur wie ihr angeblich verschwundener Vater werden. Sie kann sich als Klassenbeste in Zeitlupe bewegen, panisch losschreien, in Tränen ausbrechen, scheitert aber an emotionaler Musik. Eine ihrer Freundinnen lebt in einer schlossartigen Villa und gehört zu einer Familie von Hauptfiguren, die hinreißende Musical-Szenen mit Tanz und Gesang mal eben um den Esstisch hinlegen. Ihre Suche führt Paula auch weg vom Filmset und in Archive. Sie entdeckt weitere Randgestalten wie die Doubles, die Schwarzweißen, die Asynchronen und diejenigen, die beim Filmschnitt ausgemustert wurden.

Der auch als „kleines Fernsehspiel“ vom ZDF geförderte Film ist eine Parabel, deren „erzieherische Wirkung“ eher beiläufig daherkommt. Und nachdenklich macht über die Haupt- und Nebenfiguren und die unsichtbar Gewordenen in der Gegenwart.

Der Roman „Ein ganzes Leben“

In den Bergen ist alles kompliziert geworden. Der Klimawandel sorgt dafür, dass immer mehr Kunstschnee produziert werden muss. Die dafür geschaffenen Wasser-Reservoirs sind im Sommer eingezäunt und müssen umwandert werden auf kahlen Flächen, die keine Ähnlichkeit mehr mit bunten Alpenwiesen haben.

Das 2014 erschienene und jetzt wieder gelesene Buch „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler ist berührend in seiner Schlichtheit. Auf 185 Seiten schildert er das harte Leben von Hans Egger, der es als Adoptivkind eines Bauern zum Hilfsknecht bringt und sich später einem Trupp anschließt, der Elektrizität und Bergbahnen in das Tal bringt. Momente des Glücks sind selten, die einzige Liebe seines Lebens bleibt nicht ewig. Aber er bleibt in der Gegend und beobachtet den Wandel.

Das Buch war für mich kein nostalgischer Ausflug in gute alte Zeiten, keine Flucht vor den Auswüchsen des Alpen-Tourismus, sondern das richtige um einmal innezuhalten. Und ein einziges Menschenleben in den Blick zu nehmen, das im Film „The Ordinaries“ sicher dem Cut zum Opfer gefallen wäre.

Hinweis: „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler ist als Taschenbuch im Goldmann-Verlag erschienen.