Am Ende wird alles gut sein…

Der tröstliche Beginn dieses Spruchs lässt sich für einen Text zum Jahresende noch gut an. Doch dann wird es so kompliziert wie so vieles im Jahr 2021 war:

„Am Ende wird alles gut! Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“

Woher stammt diese Erkenntnis? Im Internet finden sich massenhaft handgezeichnete Spruchtafeln, aber wer hat die Worte als erster zu Papier gebracht? Die Auswahl ist groß – angefangen bei Oscar Wilde und dem brasilianischen Schriftsteller Fernando Sabino, über John Lennon und Anselm Grün bis hin zu Angaben wie asiatische Weisheit oder der Name eines Yoga-Instituts in München.

Dann doch lieber unterschiedliche Texte darüber, wie lose Enden verbunden werden können über Länder und Zeiten hinweg. So wie auch vergangene Jahre und sogar Jahrhunderte sich verknüpfen lassen mit der Gegenwart und damit Chancen auf Veränderung.

manchmal ist die Richtung vorgegeben, doch das Ziel ungewiss

„Ich muss noch Happy Ends machen“

Mit dieser Ankündigung verzieht sich mein Mann mit schöner Regelmäßigkeit an seinen Schreibtisch. Ehrenamtlich ist er für eine kleine Tierschutzorganisation zuständig, die nicht erst seit den Zeiten von mehr Homeoffice und Corona-Einsamkeiten Hunde aus Ungarn vermittelt. Im Web-Auftritt gibt es dann die Rubrik „Happy Ends“, kurze Berichte über erfolgreichen Vermittlungen. Vor allem sind Fotos zu sehen, die glückliche Menschen und zufrieden blickende Hunde zeigen – jeden Alters und jeder Größe.

Was für ein Kontrast: Für mich war vorher das Happy End nur als singuläres und umwerfendes Ereignis zu begreifen. Mit einem Regen aus goldenem Glitter, einem Rosenstrauß vor dem lachenden Gesicht, einem Fallschirm-Sprung ins Glück. Oder vor einer Park- oder Schloss-Kulisse scheppernde Dosen am Auspuff für die Fahrt in die Flitterwochen. Was sich an mehr oder weniger kitschigen Klischees so ansammelt im Lauf eines Lebens mit Fotos in den Illustrierten des Friseursalons, in den Schaufenstern von Fotogeschäften, im Fernsehen und den „sozialen Medien“… Die „Happy Ends“, die mein Mann dokumentiert, sind anders: sie zeigen eher wetterfest gekleidete Menschen, deren Gesichter ohne Makeup von ihrem bisherigen Leben erzählen. Manchmal ähnelt die Frisur der „old Lady“ dem Fell des kleinen Pudels mit dem Grau um die Schnauze. Strahlende Kinder scheinen im adoptierten Hund den Beweis zu sehen, dass hartnäckiges Wünschen sich lohnen kann – Gassi-Gehen im Regen und durch Matsch inklusive.

OPEN END

Vor mehr als 20 Jahren hatte sie als kinderlos gebliebenes Paar die Patenschaft über einen neunjährigen äthiopischen Jungen namens Haftamu übernommen. Es war eine seriöse Organisation, die nicht nur das einzelne Kind, sondern die Lebensumstände der gesamten Familie berücksichtigte. Es ging darum, den Lebensunterhalt und den Schulbesuch Haftamus zu sichern, der ohne Mutter mit dem erblindeten Vater zusammenlebte. Das Foto, das ihnen zugeschickt wurde, zeigte einen schmalen Jungen mit ernstem Gesicht. Da Englisch nicht zum Lehrplan gehörte, schickten Lehrer*innen einmal im Jahr den beiden „foster parents“ einen knappen Brief mit stereotyp sich wiederholenden Informationen und Grüßen. Immerhin erfuhren sie, dass Fußball Haftamus größtes Hobby ist.

Das Paar zog in eine andere Stadt, mit dem Ende des Schulbesuchs – war es mit 15 oder 18 Jahren? endete auch die Patenschaft. Das Foto Haftamus verschwand irgendwann in den Tiefen eines Schrankes. In der nächstgelegenen Bäckerei arbeitet nun seit einigen Monaten ein hoch aufgeschossener junger Mann mit einer Vorliebe für Fußball-Trikots aus aller Welt. Sein strahlendes Lächeln hilft über die kleiner werdenden sprachlichen Lücken. Nach Auskunft einer Kollegin soll er aus Äthiopien stammen. Wie andere Kunden freut sich das Paar über seine gute Laune. Und jedes Mal verschieben sie die Frage, wie er nun heißt, auf den nächsten Einkauf.

auch die Landschaft ist nicht statisch – Vulkan-Gegend auf La Palma

Endlos

Buchhandlungen stehen für Kultur und damit für Überraschungen jeder Art, auch der Laden im Westerwald. Der Landwirt bestellt hier „Don Quichotte“ in der spanischen Originalsprache, der Disco-Betreiber einen bebilderten Prachtband über eine in unzählige Scherben zersprungene chinesische Epoche lange vor der Zeit der Mao-Bibel.

Ein nicht mehr junger Kunde trägt eine Sportkappe mit der Aufschrift „Dubai“– Urlaubsort oder nur eine Zwischenlandung? Der Buchhändler reicht ihm einen Stapel der in dieser Woche erschienen Illustrierten. Für die Mutter oder die Nachbarin, die das Schicksal der armen Reichen interessiert? Der Buchhändler fragt sich laut selbst, warum er sich nicht früher, sondern erst heute nach dem osteuropäisch klingenden Namen des Kunden erkundigt. Nun erfährt er, dass es adelige Vorfahren in Prag gab und dort noch ein Palais mit dem Familiennamen existiert. Und: Im gleichnamigen Theaterbau sei Mozarts „Don Giovanni“ uraufgeführt worden. Ein Moment der Stille – ein Schlussakkord klingt über Jahrhunderte, Kulturen und Lebensformen hinweg. CB      

eine Sicht auf Köln und der Strom der Zeiten