Übergangs-Gedanken

Die erste Oktoberwoche verlorene Zeit? Ohne Höhepunkte im Kalender, dafür mit Erkältungssymptomen und negativen Corona-Selbsttests. Übergangszeit war früher nur ein Wort zum Ende des Sommers und vor der „kalten“ Jahreszeit. Meine Eltern holten die Übergangsmäntel hervor, die nicht flatterhaft leicht für Sommerabende über Kleidern zu tragen waren, aber auch nicht so niederdrückend wie die Wintermäntel. Etwas robuster eben und meist als Trenchcoat auch einen Regenschauer abwehrend. Anoraks, darunter Strickjacken und an manchen Tagen noch Kniestrümpfe statt Strumpfhosen hieß das für meine Schwester und mich. (Die beiden grünen Ponchos mit Hornknöpfen und Etiketten von „Loden Frey“ mit 9,10 Jahren waren ein Ausrutscher, der schnell vergessen war. Einer der Vorteile des Wachsens.)

 Zu Beginn dieses Oktobers ist es ernst. Energie sparen die nächsten Monate. Während die Prospekte der Discounter Terrassenheizer empfehlen und die Weihnachtsbeleuchtung anpreisen- für die Lager geordert weit vor dem Beginn des Ukraine-Krieges. Rundum Erkältungs-Symptome, Herr Lauterbach hat mir geschrieben, ich solle über eine weitere Impfung nachdenken.

Kamele, Karma und Krieg – Momente der Woche

Herbst ist die Zeit, wenn gewaltige Hirsche im Wald röhren. In der Nähe des Grundl-Sees in Österreich habe ich mir ihr Wald-Konzert einmal anhören können. Stattdessen am Kölner Stadtrand in diesem Jahr Kamele. Vorboten des Klimawandels? Das im Sommer verdorrte Gras ist wieder saftig grün. Es ist ein Wanderzirkus, der jedes Jahr Station hier macht.

Im Schutz der Kamele grasen auch sehr kleine Ponys.

Am Sonntag großer Andrang vor dem Zirkuszelt und dem Stand mit den altmodischen Süßigkeiten. Aufgeregte Kinder, die Väter und manche Mütter rauchen schnell noch eine. Grelle Plakate. Es wirkt alles wie mit einer Zeitmaschine zurück gebeamt in die 1970er oder 1980er Jahre. Keine LEDs, keine Bildschirme mit Ankündigungen. Könnte der Blick in eine bescheidenere Zukunft sein.  „Vergiss nicht zu lächeln“ – heißt es auf englisch über dem Eingang zum Zelt.

Fotografiert im Oktober 2022, nicht vor Jahrzehnten.

Einkauf im Discounter, Warteschlange vor der Kasse. Ich lasse einen jungen Mann mit kleinem Sohn vor. „Danke, das gibt gutes Karma“, grinst er, als er sich an meinem Drahtwagen vorbeischiebt. Das hat er sich schon verdient, denke ich. Denn er hatte einer desorientiert wirkenden älteren Dame den Weg zum Backpulver gewiesen. Zuhause googele ich und merke, dass Karma (Sanskrit, Hinduismus, Buddhismus…) das neue Zauberwort zu sein scheint. Es geht um Ursache und Wirkung, wer Gutes verbreitet, dem widerfährt nur Gutes. Kann aber auch schiefgehen…und jede Menge Fragen aufwerfen: wird gutes Karma aufgewogen? Baut sich schlechtes Karma ab und wie lange dauert das?

Samstag um 12 die wöchentliche Mahnwache seit Kriegsbeginn im Februar. „Dona nobis pacem“ – klingt es mehrstimmig über die Hauptstraße des Vororts. Ein Gebet und ein paar Worte des katholischen Diakons, der auch für zwei Kleiderkammern zuständig ist. Dorthin kämen weiter ukrainische Familien, aber auch Menschen aus Russland, berichtet er. Und es falle kein lautes Wort, es gebe keinen Streit, vielmehr gegenseitige Unterstützung und Übersetzungshilfen für die ehrenamtlichen Helfer*innen.  Was ja auch gutes Karma genannt werden kann.  CB