Geduldsprobe Januar

„Gefühlt minus drei Grad“ meldet die Wetter-App. Der über den gesamten Himmel reichende graue Bezug verhindert, dass der Nachbar endlich die erste Kilowatt-Ernte durch seine gerade installierten Solar-Paneele einfahren kann. Im Haus strecken sich Tulpen aus der Vase, um Farbe in die Tristesse zu bringen. Wieder einmal entpuppt sich der Januar als Herausforderung für alle, denen nur die Erinnerung geblieben ist, an knirschenden, frisch gefallenen Schnee, der in der Sonne vor himmelblauer Kulisse glitzert. Über den die Kufen des Davos-Schlitten den Hügel des Kölner Vororts herunter gleiten.

Doch auch das ist nur eine der Illusionen im Januar. Denn länger als das Weiß hielt sich auch vor Jahrzehnten das Grau des mit Salz und Dreck vermischten Matsches, der nach Frostnächten die Sturz-Neigung der Schulkinder vergrößerte. Nicht zu vergessen die Zusammenstöße bei den Schlitten-Abfahrten. Wer unten lag, hatte den Mund voll Schnee und Steinchen, über sich womöglich die Last des fehl-gesteuerten Erwachsenen. Jahre später dann Fahrstunden, in denen gefrorene Schneeberge am Straßenrand das Einparken nicht gerade erleichterten.

Bis jetzt habe ich mehr oder weniger tapfer durchgehalten und versucht, den Januar positiv zu sehen. Es konnte so nicht weitergehen mit den schwindenden Vorräten an Weihnachtsplätzchen und der Parade von Nikoläusen und anderen Artikeln aus dem Schokoladen-Sortiment. Das Dunkel der Nacht weicht früher dem Grau, der schwarze Hund braucht schon gegen acht Uhr keine LED-Blinker um den Hals. Abends sehen wir an der Haltestelle vereinzelt Menschen, die rot-weiß Gestreiftes, glitzernde Turnschuhe und Federhüte tragen. Der Sitzungskarneval hat begonnen.

Bald ist der Januar nur noch ein umgeschlagenes Kalenderblatt.  Endlich habe ich die Zettel sortiert und abgeheftet, auf denen Koch-Ideen aus den Corona-Jahren notiert sind. Einige wanderten zum Altpapier. Die Birnen-Gorgonzola-Quiche geriet zu matschig. Vier Rezepte für Bananenkuchen sind drei zu viel. Schwarzwurzel, Grün- und Rotkohl sind diesen Winter neu im Repertoire dank des wöchentlichen Bio-Kisten-Abos. Orangen und Apfelsinen liegen in der Obstschale. Nicht zu vergessen eingemachtes Quitten- oder Apfelkompott und im Garten der Rosmarin-Strauch, der frierende Thymianbusch und die kleinen Oregano-Blätter. Sie haben den Januar auch bald überstanden. So grau ist der eigentlich gar nicht gewesen.                                                                                           CB