„Der Sommer war sehr groß“ Teil 2
Machtvoll ist das Wasser und umspielt doch sanft die Füße oder lässt mich auf seinen Wellen schaukeln. Federleicht, manche zentnerschwere Lasten sinkt hinab auf einen gekachelten Beckenboden, auf verschlammte Steine oder ins nirgendwo. Ein mächtiges Gefühl, das Wasser mit Armen und Beinen zu teilen und voranzukommen. Oder die eigenen Grenzen zu spüren, wenn sich die Strömung den Anstrengungen entgegenstemmt. Kinder können im Sommer stundenlang am Bach-Rand hocken, Steine versetzen und mit den Augen der Strömung und den Licht-Reflexen folgen.
Aufzuhalten sind weder das Rinnsal auf der Wiese noch das Meer oder der Regen. Die zerstörerische und mitunter tödliche Kraft des Wassers haben in diesem Sommer viele in Rheinland-Pfalz und NRW erfahren müssen. Anderswo lässt Trockenheit die Wüste wachsen. Immer neue Weltraum-Missionen suchen auf anderen Planeten nach Spuren von Wasser als Grundvoraussetzung allen Lebens.
Wie schön die Formulierung in der deutschen Sprache, dass sich sowohl Kraft als auch Wasser schöpfen lassen. Doch bedenklich, wie leicht das Wasser verrinnt – wenn das Glas zerbricht und die Staumauer dem Druck nicht mehr standhält. Was Kräfte raubend ist und Vorbilder aus dem Rampenlicht verschwinden lässt, erschöpft im wahrsten Sinne des Wortes.
Selbst schon mal im Rhein geschwommen? Seit Kindertagen prasselten bei allen Spaziergängen den Fluss entlang und bei jedem Panorama-Blick von einer der Kölner Brücken vorbeugend Verbote auf mich nieder. Ich erinnere mich, dass es am Ufer nicht besonders gut roch und seltsame Teile aus dem Schlamm ragten. „Einmal am Rhein und dann zu zweit allein sein…“- der Wunsch des Schunkel-Liedes ließ sich noch während der Schulzeit erfüllen, schließlich lag das Gymnasium in der Nähe des Rheins. Aber darin schwimmen? Nicht nur Eltern, sondern auch Behörden warnten flussauf und flussab vor der Wasserverschmutzung und weiteren Risiken wie der Strömung, dem Schiffsverkehr, der unterschätzten Anstrengung des Schwimmens im Rhein.
Noch 1988 wagte der deutsche Umweltminister Töpfer (CDU) nur im Schutz von Neopren-Anzug und mit Flossen öffentlichkeitswirksam den Sprung in die trüben Fluten bei Mainz. Ende 1986 hatte bei Basel der Brand eines Chemielagers von Sandoz zum Fischsterben im Rhein geführt, in den tonnenweisen Chemikalien und verseuchtes Löschwasser geflossen waren. „Taten statt Baden“ hieß die Forderung auf einem Greenpeace-Plakat, das Schwimmer Töpfer empfing. Der räumte später ein, der wahre Grund seiner Aktion sei eine verlorene Wette gegen den SPD-Kandidaten im gemeinsamen Wahlkreis gewesen.



Rheinschwimmen in Basel Fotos: Privat
Erst im August letzten Jahres ging mein Wunsch endlich in Erfüllung. Wozu sonst habe ich Frei- und Fahrtenschwimmer geschafft und ab dem Alter von 10 mit zwei Stoff-„Wapperln“ auf den Badeanzügen angeben können? An einem Montag gegen 12 Uhr nutzte ich in Basel die Möglichkeit des „Rheinschwimmens“ – ein offiziell genehmigtes Sommervergnügen, dass sich die Einheimischen und immer mehr Gäste zu tausenden am Wochenende gönnen. Oder werktags in der Mittagspause. In einem um den Bauch gebundenem „Wickelfisch“ aus Kunststoff lassen sich Kleidung und Handy trocken transportieren. Am Kleinbaseler Ufer bin ich ins Wasser und habe mich schwimmend treiben lassen. Etwa ein Drittel des Flusses ist mit Bojen dafür reserviert, jenseits dann der ohnehin nicht allzu rege Schiffsbetrieb. Ausstiege am Ufer, Duschen und der „gastronomische Buvette-Betrieb“ warten auf hungrig gewordene Wasserratten. Ungefähr seit der Jahrtausendwende reichten die Freibäder am Rheinufer den Schwimmfans nicht mehr aus, und die gestiegene Wasserqualität war ein starkes Argument.
Zweifel, dass ich tatsächlich im Rhein geschwommen bin? Schließlich war ich allein im Zug angereist. Aber einem jungen Paar – beide zu Besuch aus London – hatte ich am Kleinbaseler Ufer einen Zettel mit meiner Mail-Adresse in die Hand gedrückt. „Thanks a lot“. Denn sie haben tatsächlich am nächsten Tag ein paar Fotos vom Rhein mit dem Panorama Basels und mir gepostet. Wie weiter oben zu sehen ist.
Wenn ich jetzt in Köln an seinem Ufer bin, lasse ich „Vater Rhein“ in Ruhe. Nur ab und zu störe ich seinen Fluss, wenn ein Stück Treibholz in die Wellen platscht – und der Hund begeistert das Apportieren übernimmt. CB

(In der vorigen Woche ging es im ersten Teil um Sommer-Stress und die Sehnsucht nach vertrauten Orten mit viel Freiraum)
thanks a lot… Dankeschön für den tollen Zweiteiler.
Im Übrigen… geschwommen im Rhein bin ich noch nicht.
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