Über 50 Tage dauert der von Putin angezettelte Krieg gegen die Ukraine schon. Die viel beschworene „Zeitenwende“ löste und löst neben Hilfsbereitschaft hier bei manchen auch eine Art „Schockstarre“ aus. Nachrichten und vor allem Bilder brennen sich ein und hinterlassen Hilflosigkeit.
Wir waren Anfang April im Urlaub auf Texel. Ich muss gestehen, dass der Drang, „im Bilde zu sein“, schon vor dem Aufstehen dazu führte, die Handy-Nachrichten zu scrollen. Dünen, Wellen, Wind und stundenweise Sonne drohten zur Nebensache zu werden. Aber es blitzen auch Fragen, Gedanken und Erinnerungen auf, die im Widerspruch stehen zur Ohnmacht. Einige möchte ich teilen.

Lähmende Furcht vor einem nahenden „dritten Weltkrieg“ und dem Zusammenbruch der Energieversorgung sorgt für Schlaflosigkeit nicht nur bei denen, die den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt haben, sondern erfasst auch sogenannte „Kriegskinder“ und „Kriegsenkel“. Doch geht es nicht auch um die Frage, was sich aus den vergangenen Kriegen lernen lässt? Wer es damals dank der Unterstützung von Nachbarn oder Fremden schaffte zu überleben? Wie viele Kinder in Zügen nach Großbritannien gelangten und die Kriegsjahre dort überstanden? Und was gelingt in diesen Tagen? Krebskranke Kinder werden aus der Ukraine auch in deutsche Kliniken gebracht. Einzelne ukrainische Überlebende des Holocaust finden hier Sicherheit. Ein Ehepaar stellt die gerade renovierte Mietwohnung geflüchteten Frauen und Kindern zur Verfügung. Eine deutsche Sportlerin nimmt eine ihrer international größten Konkurrentinnen auf und trainiert nun zusammen mit der Ukrainerin.
Beeindruckend ist auch die Kraft, die mitten im Krieg die Menschen in der Ukraine selbst aufbringen. Eine alte Frau kocht vor dem teilweise zerstörten Mietshaus auf offener Flamme Eintopf und Teewasser für die Mitbewohner. Auch Beschäftigte eines Museums haben sich auch aufs Kochen verlegt, andere versuchen ganze Straßenzüge „aufzuräumen“. Lehrerinnen und Lehrer erproben mit Handys, Tablets und Notebooks, ihre geflüchteten Schülerinnen und Schüler weiter zu unterrichten. Unterrichtsmaterial in ukrainischer Sprache war schnell auch hier digital abzurufen. Solcher Ideen-Reichtum scheint auch inspirierend für deutsche Bürokratie zu sein.

Eine Autorin und Schreiblehrerin empfahl gerade in ihrem Newsletter auf die Frage, was machen bei dieser Weltlage: Weiter schreiben und so im Austausch mit der Welt sein. Es gelte, in der Mitte von Macht und Ohnmacht seine Mitte zu finden. An diesem Gedanken ist etwas dran. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch die Möglichkeit für den Austausch gerade an diesen Tagen im Krieg – sie sind zugleich Ostern, Pessach, Ramadan und Ferien.

Es ist für mich nur schwer erträglich, mich jeden Tag den Gräueltaten, die uns die Nachrichten in Wort und Bild übermitteln, hinzugeben. Wann hört das Morden und Zerstören auf? Und unter welchen Bedingungen? Ein Putin kann gar nicht mehr aufhören. Es würde sein Ende bedeuten. Es ist einfach furchtbar. Und doch ist dein Beitrag auch hoffnungsvoll. Danke.
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