Nach der Corona-Pause, in der Masken mit den Bezeichnungen FFP2 und „OP“ allgegenwärtig waren wie Papp-Publikum bei Fernsehsitzungen, ist diese Karnevals-Session eine besondere. Fast überall überschießende Ausgelassenheit, die Sanitäter-Einsätze erfordert und Müll hinterlässt, aber auch von der Freude am Verkleiden und Ausprobieren erzählt.
Am Karnevals-Freitag eine Beerdigung im Bergischen. Die Trauernde trug rote Schuhe zum Schwarz – darüber hatten sie und ihr Mann einmal gesprochen. Auf ihre Mütze hatte sie drei kleine rote Herzen gestickt – je eins für sich und ihre Söhne. Der kalte Wind verwehte die Tulpenblätter in vielen Farben wie Konfetti vom Urnengrab auf den umliegenden Rasen. Viele waren gekommen sich zu verabschieden.
„Maat üch Freud su lang et jeht, denn dat Levve duurt keen Ewigkeit!“ *) – dieser Ratschlag nicht nur für die Karnevalszeit, wo hier im Rheinland „jeck“ sein offiziell genehmigt ist, geht mir nicht aus dem Kopf seit wir den Freund ein letztes Mal im Hospiz besucht haben. Es war noch Januar und doch dröhnte am Vormittag durch den Gemeinschaftsraum Karnevalsmusik. Darunter auch seit Jahrzehnten vertraute Melodien und Texte wie der kölsche Stammbaum, in dem es von Zugereisten aus aller Herren Länder nur so wimmelt, oder das Lied über die Stadt Köln, die herrlich lachen und auch Rotz und Wasser heulen kann. Wie gesagt, es war noch Januar und mir entfuhr der Satz: „Das ist aber doch noch früh für Karneval“. Eine Frau mit Rollator erwiderte: „Das ist keine Minute zu früh…“ Ich schämte mich, auch noch, als ich später miterlebte, wie Besuch kam und wie herzlich die Begrüßungen waren. Denn wer weiß schon, ob es ein Wiedersehen geben wird. Wenn das Leben schwindet, geht es um den Moment und die kleinen Freuden – wie das dauernd verfügbare Vanille-Eis, das Rauchen einer Zigarette am offenen Fenster, den Schluck Bier, um die Tabletten hinunter zu spülen, die Besuche, Berührungen und den Blick auf Vertrautes wie das mitgebrachte Bild an der Zimmer-Wand. Es gibt keine lange Bank mehr, auf die die Zukunft geschoben werden kann.
In Erinnerung bleibt mir der große Holztisch im Hospiz, um den immer wieder Menschen saßen, miteinander sprachen, eine Kleinigkeit aßen, einen Kaffee bekamen. Es schien, als hätten viele schon Spuren ihres Lebens hinterlassen in der zerfurchten Platte des Tisches. Auch wenn sie schon gegangen waren und andere nun dort saßen.

Im Trauergottesdienst am Karnevalsfreitag wurden Stationen dieses einen Lebens nachgezeichnet, auch von den beiden Söhnen, die liebevolle Erinnerungen an ihren Vater mit allen teilten: Seine Neugierde, das Interesse an Menschen unterschiedlicher Kulturen, seine Hilfsbereitschaft, die Freude am gemeinsamen Feiern und Essen. Therapeuten sprechen inzwischen von „transgenerational“, wenn sie im Verhalten Spuren früherer Generationen einer Familie entdecken. Von diesem Abschied bleibt jedenfalls neben der Trauer eben auch die Hoffnung auf viel Lebensfreude. Nicht nur an Karneval.
*) „Macht euch Freude solange es geht, denn das Leben dauert keine Ewigkeit“ – wer so immer seine Büttenreden im Kölner Karneval beendete, ließ sich auf die Schnelle nicht herausfinden. Wird aber nachgeliefert.

„Gesundheit, Freud und niemals mih(mehr) Verdruss, dat wünscht Euch von Herzen die Doof Nuss“-
so endeten die Büttenreden von Hans Hachenberg(1925-2013), der über 60 Jahre im Kölner Karneval auftrat. Warte immer noch auf Tipps zur Herkunft des im Blog zitierten Wunsches. CB
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Wunderschön!
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Dankeschön für diese liebevollen Worte.
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