Karin, Susanne, Nora und die Frage, was ich sammele (Teil 1)

Auch mein Blog ist von den Tages-Ereignissen überrollt worden. Im Papierkorb landeten Zettel mit Ideen wie: „Unbedingt aus der arte-Mediathek „Diener des Volkes“ ansehen, als Selenskij noch als Comedian und Autor Korruption persiflierte und in der Rolle des Präsidenten Demokratie vorlebte.“ Hier nun etwas Privates.

Ein Paar, mit dem wir wandern, war zu Besuch am verregneten Pfingst-Montag. Noras Frage, als wir uns verabschieden, klingt seitdem in mir nach: „Sammelst Du eigentlich etwas außer Büchern?“  Die drei Briefmarken-Alben aus Kinderzeiten landeten vor kurzem in Bethel bei der Briefmarkensammelstelle. Brillen kommen nach einer Zeit im Ersatz-Status zum Optiker, Bücher ab und an in den Metall-Bücherschrank am Marktplatz.

Im Museum auf Texel wurden Flaschen vom Strand zum Sammelobjekt.  

Trotzdem bin ich seit Kindertagen eine Sammlerin. Auch wenn manches schon lange vor der Digitalisierung unseres Lebens, nicht materiell greifbar war. Wie während besonders feierlicher Messen der Geruch von Weihrauch, der uns in den vorderen Bänken besonders stark anwehte. Und der mich manchmal noch schnuppern lässt, wenn ich an einer offenen Kirchentür vorbeigehe. Der starke Chlorgeruch städtischer Hallenbäder versetzt mich in Sommerferien, in denen meine Schwester und ich – den Badeanzug unterm Sommerkleid- ganz früh aufstanden und zur Straßenbahn rannten. Um 6:30 Uhr passierten wir die Schranke an der Kasse, um dann als erste die spiegelglatte hellblaue Fläche des großen Beckens aufwühlen zu können. Alles gespeichert, auch wenn ich längst das Schwappen der Bergseen oder Fluss-Wellen vorziehe. Den schnaubenden Hund neben mir. (Mehr im Blog 21.9.2021 Vom Wasser und vom Rheinschwimmen).

Plakate, später zusammengerollt in Papprollen, habe ich gesammelt. Als ich mit 12 endlich ein eigenes Zimmer hatte, dekorierte ich mit Hilfe von Reißzwecken eine ganze Wand. Da war schon Neugier auf Kunst geweckt. Das Taschengeld reichte in der Teenie-Zeit für die damals natürlich anders bezeichneten „SALE-Aktionen“ der Kölner Museen oder auch der Kaufhäuser. Zur Pop-Art passende Werke damals bekannter polnischer Graphiker gab es zum Beispiel bei Karstadt. Grelle Rottöne, fließende Formen, ein aufgerissener Mund als Werbung für Alban Bergs „Wozzeck“ – das Motiv von Jan Lenica aus Posen begegnet mir bis heute noch in Kunstbüchern. Übrigens: es war mühsam, die ganzen Plakate vorsichtig abzunehmen, um sie in einem leerstehenden Zimmer bei der Oma im Nachbarhaus wieder an die Wand zu bringen. Vorausgegangen war ein Streit mit den Eltern und der Umzug mit dem nötigsten in einer Reisetasche…und mit den Plakaten. Wenn ich mich richtig erinnere, zog ich am selben Abend wieder zurück.

Wer hatte damals nicht eine Korktafel mit schmalem Holzrahmen, an die sich so viel „pinnen“ ließ: Eintrittskarten, Urlaubsgrüße, Fotos aus dem Pass-Automaten am Bahnhof und Sprüche, Terminzettel, Zeitungsausrisse und Buttons. Vieles sammelte sich übereinander, vergilbte und war dann irgendwann nicht mehr „relevant“, wie es inzwischen heißt. Auch die Korktafel verschwand, inzwischen gibt es fürs „Homeoffice“ und Firma Nachfolgemodelle mit Magneten, aus Glas oder „gebastelt im DIY“-Verfahren (Do it Yourself) oder „upgecycelt“.  Dazu die Notizfunktionen des Handys oder Notebooks. Ein bisschen fader als früher ist das schon. Da bin ich nostalgisch und auch froh über meine Erinnerungs-Sammlung. Was Karin und Susanne mit meinem Sammeln zu tun haben, wird bald in Teil 2 zu lesen sein. CB

Steine – zu viele zum Sammeln am Strand von Puerto de la Cruz auf Teneriffa.   

Ein Kommentar zu „Karin, Susanne, Nora und die Frage, was ich sammele (Teil 1)

  1. Über den Geruch zu Erinnerungen an Sammlerstücke und umgekehrt. Man kann das als „Alltagsgeschichte“ bezeichnen – zu der Zeit, als ich studierte, ein innovativer Versuch, die jüngste Geschichte wissenschaftlich aufzuarbeiten. Persönliche Erinnerung, die zu einer allgemeinen Reflexion führt, die jeden betrifft, wenn er sich denn darauf einlässt. Danke für den sehr informativen Blogbeitrag.

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