Denk-mal: ein lokales Plädoyer für Demokratie

Ein Regentag Ende August im Kölner Stadtteil Riehl mitten in der Naumann-Siedlung. Ende der 1920er Jahre errichtet mit Mietwohnungen für Familien von Ford-Mitarbeitern wurden die Gebäude bis 2020 restauriert. An den maßgeblichen und doch lange vergessenen jüdischen Architekten Manfred Manuel Faber, der 1944 gleich nach seiner Ankunft in Auschwitz ermordet wurde, erinnert eine Gedenktafel. Doch das war der Nachbarschaftsinitiative, die so viel über Faber in Erfahrung gebracht hatte, und Bezirksbürgermeisterin Dr. Diana Siebert nicht genug. Die ehrenamtlichen Mitglieder der zuständige Bezirksvertretung Nippes beschlossen einstimmig, den zentralen Platz umzugestalten und ein Denkmal für Faber zu errichten. 50.000 Euro wurden aufgebracht, ein Wettbewerb ausgeschrieben. Siebert spricht von einem künstlerisch wie gestalterisch sensiblen Auftrag, der an den Künstler und Bildhauer David Semper ging.

Zur Enthüllung des Denkmals am 25.8.2023 versammelt sich eine „bunte“ Mischung von Menschen, unter denen jemand wie Manfred Manuel Faber als „Zeitreisender“ nicht aufgefallen wäre. Über Jahrzehnte schien seine Existenz wie ausgelöscht, es gibt nur ein Foto, das ihn zeigen soll. Mit grauem Hut. Auf der Bodenplatte des Denkmals finden sich ein Zitat aus seiner „Flugschrift“ nach dem 1.Weltkrieg und eine gezeichnete „Bauflucht“ der Siedlung. Auf der steinernen Bank liegt quer die „Wartende Säule“, die auch ein zufällig während der Arbeit abgelegter überdimensionaler Stift sein könnte. Wie der Künstler David Semper erläutert, steht diese Zufälligkeit für ihn im Kontrast zur Endgültigkeit der Ermordung Fabers.  Damit bleibe die „Wartende Säule“ und den Menschen heute nichts anderes als weiter zu zeichnen, zu schreiben… Und sich zu informieren mit Hilfe eines QR-Codes, der weiterleitet an das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

Nicht nur der QR-Code, sondern auch die Appelle während der Feier zogen Linien vom Gedenken zur Gegenwart. „Die Nazis haben ihn erst zum Juden gemacht“, griff Rafi Rothenberg von der Jüdischen Gemeinde ein Zitat Ralph Giordanos auf. Faber habe sich als Teil der deutschen Gesellschaft gesehen wie auch die damals so bezeichneten Zigeuner, die Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer. Sie seien alle von einer demokratisch gewählten deutschen Regierung umgebracht worden. Seine Mahnung: Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sondern müsse jeden Tag neu erstritten werden. Birte Klarzyk vom NS-Dokumentationszentrum verwies darauf, dass auch in einzelnen Viertel die dort lebenden Menschen Impulse zur Erinnerung vorfinden sollten. Dazu passte, dass die angereisten Verwandten Fabers vor der Denkmal-Enthüllung die Märchensiedlung in Holweide/Dellbrück und damit eine andere Facette von Fabers Schaffens in Köln kennenlernen konnten. Ein Spaziergang über Kopfsteinpflaster führte sie vorbei an Reihenhäusern aus den 1920er Jahren im Stil der englischen Gartensiedlungen. Seit über einem Jahr erinnert eine Stele am „Plätzchen“ im Rotkäppchenweg an Faber. Außerdem gibt es inzwischen sechs Tafeln in Vorgärten, die über die Geschichte der Siedlung und ihres über Jahrzehnte vergessenen Architekten informieren. Fabers in Israel lebender Verwandter Gidon Lev zeigte sich berührt. Für Faber existiere kein Grabstein, doch sehe man in der Siedlung, wie sehr seine Arbeit bis heute geschätzt werde.

Während der Feier in der Naumann-Siedlung brandete an einer Stelle von Levs Rede besonders viel Beifall auf. Jeden Samstag beteilige er sich in Tel Aviv an den Demonstrationen gegen die Justizreform in Israel. Demokratie könne zerbrechlich sein und müsse behütet werden. CB

Das Denkmal für Faber verbindet Gidon Lev und den Künstler David Semper

Mehr über Faber und die Märchensiedlung:

Der Mann mit dem Hut und der Rotkäppchenweg